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Sechste Ausgabe. 16. Juli 2023

Liebe Kleist-Freundinnen und Freunde, liebe Mitglieder,

die vorlesungsfreie Zeit steht vor der Tür und als Gruß zum Ferienbeginn erhalten Sie Neuigkeiten aus der Kleist-Welt! Auch hier mischt sich ChatGPT ein, kann aber Kleist-Expertinnen und Experten noch nicht überzeugen, wie mir verschiedene Einsendungen im Frühjahr gezeigt haben. Da sich die Diskussionen zu Chancen und Grenzen der KI derzeit beinah täglich ändern, könnten wir aber bei Interesse versuchen, auf der Mitgliederversammlung zumindest ein erstes Zwischenfazit zu ziehen.

Von Tradition und Stabilität zeugt dagegen eine andere Nachricht: Das Bundesverwaltungsamt hat einen Wettbewerb für eine 100-Euro-Goldmünze »Der zerbrochne Krug« ausgelobt! Die Münze soll nächstes Jahr erscheinen und kann Kleist-Liebhaberinnen und Liebhabern zukünftig als kostbares Geschenk oder auch Notreserve dienen. Der Entwurf wird im September ausgewählt, in der Münzreihe »Meisterwerke der deutschen Literatur« nimmt Kleists Lustspiel damit den zweiten Platz nach Goethes »Faust« ein, der als erste Münze dieser neuen Reihe im Oktober herauskommt.

Auch die Vorbereitungen für unsere Jahrestagung »Kleists Berlin« gehen voran, das Programm werden wir im Laufe des Sommers auf unserer Homepage und dann natürlich im nächsten Abendletter präsentieren. Dies gilt auch für die Termine der internationalen online-Vorträge, die wir im Winter fortführen wollen.

Stichwort Homepage: Auch das Kleist-Museum hat eine neue Seite, die wie das Haus selbst einen sommerlichen Besuch lohnt: https://www.kleist-museum.de

Ich wünsche Ihnen jetzt viel Spaß mit dem Abendletter und vor allem einen schönen Sommer!

Herzliche Grüße aus Berlin Ihre Anne Fleig

P.S. Nächster Einsendeschluss für Mitteilungen und Texte ist der 30. September.

Ankündigungen und Termine

Preis für den besten studentischen Kleist-Aufsatz 2023

Vor Beginn der vorlesungsfreien Zeit erinnern wir noch einmal an die Ausschreibung für unseren »Preis für den besten studentischen Kleist-Aufsatz«. Eingereicht werden können literaturwissenschaftliche Beiträge über Heinrich von Kleists Texte. Weitere Einschränkungen in Bezug auf Thema, Text- und Kontextauswahl oder Methodik bestehen nicht. Einzige Bedingung: Die Verfasserinnen und Verfasser sind Studierende (oder Doktorandinnen und Doktoranden in der Anfangsphase ihrer Promotion).

Die Teilnahme erfolgt durch Selbstbewerbung der Studierenden. Bitte reichen Sie uns den Kleist-Aufsatz (max. 20 Text-Seiten, 12 pt Schriftgröße, Zeilenabstand 1,5) und kurze biographische Informationen ein. Hinweis: Der Aufsatz sollte in Form eines eigenständigen, konzentrierten und in sich abgeschlossenen Beitrags vorliegen. Eine Hausarbeit, BA-Arbeit oder MA-Arbeit kann zwar als Grundlage für den eingereichten Text dienen, müsste aber entsprechend überarbeitet werden.

Bewerbungsschluss ist der 15. August 2023. Bewerbungen werden per Mail erbeten an: Prof. Dr. Anne Fleig anne.fleig@fu-berlin.de und Prof. Dr. Andrea Bartl andrea.bartl@uni-bamberg.de

Jahrestagung und Mitgliederversammlung

Die nächste Jahrestagung zum Thema »Kleists Berlin - ¬Von der Stadtöffentlichkeit zur nationalen Öffentlichkeit« findet vom 23. bis 25. November 2023 an der Freien Universität Berlin statt und verbindet stadt- und öffentlichkeitsgeschichtliche Perspektiven. Zentral geht es um Zusammenhänge zwischen der Entwicklung der Stadt Berlin und der modernen Öffentlichkeit um 1800, zu der etwa die Berliner Salons, das städtische Musikleben und natürlich die »Berliner Abendblätter« gehören. Wir können uns auf Beiträge internationaler Gäste ebenso freuen wie auf Vorträge aus den Reihen unserer Mitglieder.

Die Tagung wird am 23. November mit einer Abendveranstaltung eröffnet, das Vortragsprogramm beginnt Freitagmorgen, 24. November Abends erwartet uns der nächste Kleist-Salon mit Hamburg Special. Am Nachmittag des 25. November findet die nächste Mitgliederversammlung statt; Themenvorschläge können im Vorfeld gerne an den Vorstand geschickt werden. Abends liest dann der Kleistpreis-Träger Thomas Kunst exklusiv für die Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft im Literaturhaus in der Fasanenstraße.

Kleistpreis-Verleihung

Die Matinee zur Verleihung des Kleistpreises an Thomas Kunst findet am Sonntag, 26. November um 11 Uhr im Deutschen Theater statt. Bitte den Termin vormerken! Die Anmeldeformalitäten geben wir im nächsten Abendletter bekannt.

Mitteilungen der Mitglieder

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Wie Herr Dr. Flüh mitteilt, findet der nächste Berlin-Brandenburgische Kleist Jour Fixe am 26. Juli 2023 um 19 Uhr im Berliner Restaurant Ephraim’s statt. Zu Gast ist Sigurd von Kleist, der unter der Überschrift Die Suche nach den Nadeln im Heuhaufen über seine vorwiegend netzbasierten Recherchepraktiken und die Kleist-Familienforschung berichten wird.

Mein Kleist…

feuerwerk … ist ein »Feuerwerker«, der oftmals – wie der Soldat aus der Anekdote »Neujahrswunsch eines Feuerwerkers … aus dem siebenjährigen Kriege« (1811) – ein geradezu barockes Sprachspektakel zündet. »Es müsse meinem Hauptmann«, so wünscht der Feuerwerker, »weder an Pulver der edlen Gesundheit, noch an den Kugeln des immerwährenden Vergnügens, […] noch an der Lunte eines langen Lebens ermangeln.« Die hier komisch übersteigerte Sprachlichkeit führt in ihrer Spannung zwischen Glückwunsch und Gewaltsamkeit auf eine innere Zwiespältigkeit der Kleistschen Texte selbst. Sie lässt sich als Gegeneinander von Repräsentation und Theatralität verstehen: Gerade durch die übersteigerten Wendungen erhält der Feuerwerker, wenn auch karikiert, sprachliche Gestalt. Doch diese sprachliche Repräsentation wird wiederum theatral untergraben, wenn Figuren und Welt fortschreitend in ein Waffenarsenal verwandelt werden, so dass Bildgeber und -empfänger nicht mehr klar zu unterscheiden sind: Am Ende der Anekdote scheint der Schreibende selbst das »Bajonet« geworden zu sein, mit dem er die »Freundschaft« seines Hauptmanns »forciert«, »bis die unvermeidliche Mine des Todes ihren Effect thut.« Dass noch der Tod, die radikale Grenze der Repräsentation, in die Bildwelt des Feuerwerkers einbezogen wird, zeigt nicht nur die Gewaltsamkeit des Neujahrswunsches auf (der unter der Hand zum eigenen Glückswunsch des Feuerwerkers geworden ist). Es kann darüber hinaus als Beispiel für eine umfassende Theatralisierung verstanden werden, die das Repräsentationsverhältnis dynamisiert. Derartige Strategien sind charakteristisch für die Prosatexte der Abendblätter, aber auch für Kleists Novellen und Dramen.

Joachim Harst

Fundstück

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Auf der Internetseite www.archivportal-d.de werden mit den Suchworten ›Heinrich von Kleist‹ über 1700 Treffer angezeigt. Macht man sich die Mühe, das Material etwas genauer anzuschauen, dann findet man Gegenstände mit oder ohne Bild. Im Stadtarchiv Hof, eine Stadt, die weder eine Kleiststraße noch Kleist-Schule hat, wird im Bestand eine Ansichtskarte mit einem Brunnen und einem Kleist-Zitat beschrieben. Es gibt auch einen Copyright-Hinweis und wohl deshalb keine Abbildung. Bei einer telefonischen Anfrage im Hofer Stadtarchiv habe ich die Angaben zu dieser Karte bekommen: »Copyright by www.schwarzbach-fotografie.de 09281-2244 Altstadt 14-16 95028 Hof«. Durch einen Anruf dort konnte ich erfahren, dass die Ansichtskarte vor einigen Jahren produziert wurde, es inzwischen mehrere solcher Karten mit schönen Motiven aus Hof und anderen Klassiker-Zitaten gibt. Die Ansichtskarten können im Geschäft in Hof einzeln gekauft werden, nach außerhalb werden die Karten in 20er Einheiten verkauft. Die Archivseite ist ein Portal der Deutschen Digitalen Bibliothek. Es eröffnen sich neue Perspektiven für die Kleist-Recherche. Als kleines Beispiel nur der Hinweis, dass man dort u.a. Bilder des Fotografen Abraham Pisarek zum Thema »Kranzniederlegung anlässlich des 145. Todestages Heinrich von Kleists" findet. Bei ersten Recherchen habe ich bisher keine Presseartikel dazu gefunden. Es könnten aber Ansätze für die Suche nach einem weiteren Fundstück sein.

Burkhard Wolter

Erlesenes

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Vor hundert Jahren veröffentlichte Marieluise Fleißer ihre erste Erzählung, die am 3. März 1923 in Stefan Großmanns Zeitschrift »Das Tagebuch« unter dem Titel »Meine Zwillingsschwester Olga« in Berlin erschien - im selben Jahr ging der Kleistpreis auf Vorschlag von Alfred Döblin an Robert Musil und Wilhelm Lehmann. Döblin hatte seine Wahl damit begründet, dass beide am »Weichenstellwerk ihrer Zeit tätig« sind, was auch auf Fleißer zutrifft, die mit Musil das Interesse an Kleist teilte. Großmann hob die Publikation der bis dato unbekannten Autorin mit einer vorangestellten Notiz ausdrücklich hervor und würdigte Fleißers Erzählen als Versuch, »der an naive Kinderzeichnungen, aber auch an die gestörte Naivität von George Groß erinnert«. Zu dieser Spannung trägt Fleißers intensive Kleist-Lektüre bei, die für ihre Texte der Weimarer Republik in vielerlei Hinsicht kennzeichnend ist. Schon ihre erste Erzählung entfaltet einen Schau- und Geschlechterkampf um die kleinstädtische Rangordnung zwischen Kindern und Jugendlichen, der die Figuren in ein bald berstendes Gefüge von kindlich-sexueller Neugier, Schuldgefühl und sündhaftem Begehren, Gewalt und Unterwerfung verstrickt: »Ich ermorde ihn, flüsterte sie in meinen Biß, der ihre Schulter küsste.«

Anne Fleig

Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft
c/o Prof. Dr. Anne Fleig
Freie Universität Berlin
Institut für deutsche und niederländische Philologie
Habelschwerdter Allee 45
14195 Berlin
E-Mail anne.fleig@fu-berlin.de