© Heike Steinweg / Suhrkamp Verlag
Der Kleist-Preis des Jahres 2024 geht an die 1985 in Wolgograd geborene Berliner Autor:in, Dramatiker:in und Essayist:in Sasha Marianna Salzmann. Die Verleihung soll am 17. November während einer Matinée im Deutschen Theater erfolgen. Gemäß der Tradition des Kleist-Preises hat die Autorin Samira El Ouassil – als von der Jury der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft gewählte Vertrauensperson – in alleiniger Verantwortung Sasha Marianna Salzmann als Preisträger:in bestimmt. Ihre Begründung lautet:
»Sasha Salzmann zeichnet sich durch ihr eindrucksvolles Talent aus, unsere Gegenwart künstlerisch zu erschließen und dabei zugleich das zu verhandeln, was unverfügbar bleibt. Ihr Schreiben ist das einer Gleichzeitigkeit – mehrschichtige, komplexe, oszillierende Gesellschaftsfelder, bei denen sich eine Eindeutigkeit verbietet, schreibt sie sich und uns in Kopf und Herz hinein, und hilft den Lesenden die unaushaltbaren Ambivalenzen ertragen zu lernen. Sie benutzt ihr Schreiben nicht nur als ornamentales Mittel der Abbildung, sondern als Werkzeug zur Durchdringung der Wirklichkeit und das alles mit solch einer Schönheit und Erdung, dass man sich in die Texte schlicht verliebt. Das macht sie zur idealen Kleistpreisträgerin!«
Mit Sasha Marianna Salzmann wird nach längerer Zeit eine Dramatiker:in mit dem Kleist-Preis geehrt. Salzmanns Theaterstücke, darunter die Bände Muttersprache Mameloschn/Schwimmen lernen (2013), Meteoriten (2016) und Aristokraten (2017) im Verlag der Autorinnen und Autoren, werden international aufgeführt und haben verschiedene Preise erhalten, zuletzt den Kunstpreis Berlin 2020. Mehrere Jahre war Salzmann als Hausautor:in, Dramaturg:in und künstlerische Leitung des Studio Я am Berliner Maxim-Gorki-Theater tätig. Gemeinsam mit Maxi Obexer gründete die Schriftsteller:in 2015 das Neue Institut für dramatisches Schreiben (NIDS). 2017 erschien im Suhrkamp Verlag ihr Debütroman Außer sich, der noch im selben Jahr mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung und dem Mara-Cassens-Preis ausgezeichnet wurde. Er ist inzwischen in sechzehn Sprachen übersetzt. Ihr zweiter Roman, Im Menschen muss alles herrlich sein (2021), wurde durch den Preis der Literaturhäuser 2022 und den Hermann-Hesse-Preis 2022 gewürdigt. Salzmann hat Poetikdozenturen an Universitäten in Braunschweig, Köln, Wien und Berlin inne gehabt, darunter die Ricarda Huch-Poetikdozentur für Gender in der literarischen Welt. Reisend und schreibend ist Salzmann eine auch als Essayist:in deutlich wahrnehmbare Stimme. Erst kürzlich erschien der Band Gleichzeit (2024), Zeugnis einer freundschaftlichen Korrespondenz zwischen Ofer Waldman und Sasha Marianna Salzmann, zwischen Israel und Europa nach dem 7. Oktober 2023.
Der Kleist-Preis ist mit 20.000 Euro dotiert und wird von der Holtzbrinck Publishing Group, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie den Ministerien für Wissenschaft, Forschung und Kultur der Länder Berlin und Brandenburg gefördert. Der Kleist-Preis hat eine lange Tradition. In den 10er und 20er des letzten Jahrhunderts wurden u.a. Hans Henny Jahnn, Bertolt Brecht, Robert Musil oder Anna Seghers ausgezeichnet. Nach der Wiederbegründung des Preises 1985 hießen die Preisträger:innen u.a. Alexander Kluge, Thomas Brasch, Heiner Müller, Ernst Jandl, Monika Maron, Herta Müller, Emine Sevgi Özdamar, Daniel Kehlmann, Wilhelm Genazino, Arnold Stadler, Navid Kermani, Marcel Beyer, Monika Rinck, Yoko Tawada, Christoph Ransmayr, Ilma Rakusa, Clemens J. Setz, Esther Kinsky und zuletzt Thomas Kunst.
Die Jury des Kleist-Preises, die die Vertrauensperson auswählt und ihr potentielle Preisträger:innen vorschlägt, bestand aus sechs Mitgliedern: Andrea Bartl (Universität Bamberg), Florian Borchmeyer (Dramaturg und Kurator), Anne Fleig (Freie Universität Berlin), Johannes Franzen (Universität Siegen; freier Kritiker) Janika Gelinek (Literaturhaus Berlin) und Claudia Kramatschek (Freie Kritikerin).